Jeder Kilometer zählt!

Über 75 Sponsoren haben für jeden von mir gefahrenen Velokilometer in den USA 1 Rappen an Tixi gespendet. Herzlichsten Dank!

Selamat Datang di Indonesia

25.1. - Hellooo Miiiss!

Bereits eine Woche sind Chris und ich in Indonesien unterwegs. Am 16. Januar haben wir uns in Jakarta getroffen. Liebenswürdi-gerweise durften wir bei einer ehemaligen Studienkollegin von ihr, Fenina, übernachten. Ein wahres Geschenk in dieser lauten, ver-kehrstechnisch Alptraum-mässig, heissen und schwülen Stadt! In Kemang, dem Expat- und Ausgehviertel Jakarta's, bewohnt sie mit ihrem Lebenspartner eine schöne Villa mit tropischem Garten, Pool und Gäste-Bungalow. Eine wahre Oase versteckt in einem Labyrinth von kleinen Strässchen und noch kleineren Gässchen. Wie es in der indonesischen Hauptstadt oftmals üblich ist für Expats, gabs auch noch ein Auto samt Fahrer. Unser Glück, stand doch während unserer zwei Tage dort ein verlässlicher Begleiter zu unserer Seite. Obwohl man sagen muss, dass es hier in den Städten tonnenweise Taxis mit Taxametern gibt. Und die Fahrer benutzen diese auch! Nicht wie in Bangkok, wo doch jeder versucht einen überrissenen Fixpreis mit einem auszumachen und wenn man auf den Zähler besteht, auf einmal ein wichtiger Termin in einer halben Stunde am anderen Ende der Stadt vorgeschoben wird. Mir so ergangen, als ich mich im November mit meinem schweren Koffer von der Sukumvith an die Kaoh San Road chauffieren lassen wollte, um Alice dort im Hotel zu treffen. Obwohl hier in Asien die ganze 'Loose-Face'-Geschichte ja sehr gross geschrieben wird und einem jeder Reiseführer ermahnt, zu keiner Zeit laut oder ausfällig zu werden, kann ich dem in solchen Situationen jeweils nur schwer Folge leisten. Ich schätze mich ja wirklich eher als eine ausgeglichene Person ein. Konflikte suche ich auf keinen Fall und bin eher dem Kompromiss zugetan. Aber wieso, bitte schön, solch ich mit einem hinterlistigen Betrüger (Pleonasmus, ich weiss) anständig und höflich bleiben, wenn der mir unverhohlen ins Gesicht lügt? Da hab ich meine wahre Mühe. Aber Indonesien ist eine wahre Wohltat, wenn man sich dem stetig mühseligen Runterhandeln mit Tuktuk-Fahrern zwischendurch entziehen will. Auch sonst muss ich sagen, ist Indonesien eine riesige Überraschung für mich. Mit seinen 280 Millionen Einwohnern ist der Inselstaat das 4. Bevölkerungsreichste Land der Welt – wer hätte das gedacht. 80% der Bevölkerung sind Muslime, Kirchen gibt es jedoch überall und der Buddhismus scheint auch vielerorts präsent. Ich hatte zu Beginn meiner Reise eigentlich nicht vor, dieses Land zu bereisen. Als jedoch Chris sich im November gemeldet hat und verkündete, dass sie nach Ende ihres Psychologie-Studiums und vor Antritt einer neuen Stellen noch ein paar Wochen in Asien reisen wollte, stand der Inselstaat auf einmal ganz oben auf unserer List. Chris' Favoriten Kambodscha und Laos hatte ich schon auf meiner Dezember-Januar-Route eingeplant und sie konnte sich für meine Destinationen Philippinen und Malaysia nicht so richtig erwärmen. Somit einigten wir uns auf die Orang-Utans auf Borneo, Java mit dem kulturellen Yogyakarta, dem Tempel von Borobudur, dem Vulkan Bromo, dem Schwefel-Krater von Ijen und – natürlich – Bali. Am meisten überrascht war ich von der Zugänglichkeit der Leute. Viele rühmen immer die Freundlichkeit der Thailänder oder der Burmesen. Was ich jedoch hier täglich antreffe, habe ich auf meiner bisherigen Reise noch nirgends erlebt. Als Tourist ist man oftmals eine 'Attraktion' oder 'Kuriosum'. Beispiel heute beim Tempel von Borobudur: Es ist Sonntag und viele indonesische Familien, Reisegruppen und Schulklassen sind unterwegs. Chris und ich steigen schwitzend die Stufen hinauf und sehen überall kichernde Teenager, tuschelnde Familien, die nur darauf warten, dass wir uns irgendwo ausruhen. Das ist dann der Moment, wo sich langsam eine Warteschlange um uns herum bildet und Familienväter um ein Bild mit ihren Sprösslingen und Grossmüttern bitten, Schulkinder sich uns scheu nähern und uns mit 'Hellooo Miss (manchmal auch Mister), pictschä pliiis?' um ein gemeinsames Foto bitten. Wir sind immer wieder erstaunt, wie aussergewöhnlich das Auftauchen von westlichen Touristen, sogar an touristischen Orten, ist. Ich war ja anfangs der Meinung, dass es an meiner grossen Nase liegen müsse. Vor allem nachdem wir uns in Borneo beim Flughafenausgang durch eine wartende Menschenmenge kämpfen mussten und, nebst dem dass uns unzählige Leute beim vorbeigehen anfassten, eine Frau mit ihrem Zeigefinger grinsend auf meine Nasen-spitze tippte. Und alle Umstehenden lachten. Bei der Fütterungs-plattform der Orang-Utans in Camp Leaky hatte ich dann vollends das Gefühl, dass man mich als Referenzbild für den lokalen Dutch-Monkey, der mit der riesigen rosa Nase, ablichten wollte... Inzwischen hat sich Chris aber zu einem genauso beliebten Sujets bei sämtlichen Schwiegermüttern und Grosstanten Indonesiens entwickelt. Wir scheinen auch sehr beliebt als Lehrobjekt zu sein. Wie bei dem Vater der heute seine etwa achtjährige Tochter an uns vorbeigeschoben hat und mit dem Finger auf uns zeigend meinte: "Tourist!" Aber auch die vielen Lächeln, oder Grinsen, die wir in den Restaurants oder Läden ernten, sind jetzt schon zahlreicher als in meinen ganzen eineinhalb Monaten Thailand oder drei Wochen Myanmar. Wo mir in anderen Ländern oftmals abgelöschtes, teilnahmsloses und schlichtweg desinteressiertes Servicepersonal gegenüber stand, war das bis jetzt hier eher selten der Fall. Ich habe hier sogar ein Brillenetui in einem Shopping-Center geschenkt bekommen! Normalerweise muss man  ja um jeden Franken hart feilschen und bezahlt dann immer noch zu viel – kennen wir doch alle. Aber der nette Herr wollte rein gar nichts dafür. Vielleicht lag's auch daran, dass er mich zur Begrüssung mit 'Hello Mister' empfangen hatte und ihm das im Nachhinein peinliche war. Egal. Wann hab ich in meinem Leben in einem Geschäft schon jemals etwas geschenkt bekommen? Ohne zuvor noch was anderes gekauft zu haben. Noch nie, würde ich sagen. Wir sind gespannt, wie unser Trip weitergeht. Für unsere Weiterreise durch Ost-Java haben wir uns heute ein Auto mit Fahrer organisiert. Vier Tage kosten uns rund 230 CHF. Ein Luxus, wenn man es mit den Backpacker-Package-Touren vergleicht, die die gleiche Strecke in drei Tagen im Car für rund 60 CHF anbieten, inklusive Übernachtungen. Aber da wir die lange Strecke nicht in drei Tagen mit vollgepacktem Programm analog einer japanischen Reisegruppe machen möchten, haben wir uns eben für die High-End-Variante entschieden. Das ist einer der Vorteile, nebst netter Begleitung, wenn man zu zweit reist: Geteilte Kosten, für etwas mehr Luxus, den man (ich) sich (mir) sonst nicht gegönnt hätte.

11.02. - 4 Mio. weg und Chinese New Year vor der Tür

Ich kann es kaum glauben, dass morgen bereits mein letzter Tag in Indonesien ist – vorerst. Die 30 Tage sind wie im Fluge vergangen und Chris und ich haben allerhand erlebt. Das Unerfreuliche zuerst: Auf mirakulöse Weise sind mir 4 Mio. IDR (entspricht etwa CHF 280) und 100 USD aus meiner Reisetasche abhandengekommen. Ich bin ja bekannt dafür, dass ich unbesorgt mit offener Handtasche in der Weltgeschichte rumlaufe und ich Hotelsafes per se ignoriere. Aber in der Situation hätte mir auch ein geschlossener Reisverschluss nichts genutzt und Hotelsafes sind bei einem Budget von 10 CHF pro Nacht generell nicht zu erwarten. Wann's passiert ist? Irgendwo zwischen Yogya und Ubud. Wies passiert ist? Da gibt's mehrere Möglichkeiten. Chris und ich sind ja mit unserem Privatchauffeur am 27.2. aus Yogya Richtung Vulkan Bromo und Ijen-Krater losgedüst. Zu dem Zeitpunkt hatte ich meine Reserve noch. Tief vergraben in meiner Riesentasche, in meiner popligen 'Admin-Brieftasche' zusammen mit e-Banking-Karten, Impfpass, Blutgruppen-Info, Reserve-VISA-Karte und was man sonst so auf einer langen Reise zu brauchen glaubt. Drei Übernachtungen, unzählige Autostunden und eine Busreise inklusive Schiffsüberfahrt nach Bali später ist der Cash weg. Ja, da war kein dickes Vorhängeschloss an meinem Gepäck, das ist wahr. Manche mögen jetzt mit den Augen rollen und für sich denken: "Selber schuld. Habs ja schon immer gewusst." Helfen tut's nix. Wie man so schön sagt: Weg ist weg. Wenigstens ist's nur das Geld. Wäre der Laptop auch noch verschwunden, wär ich am Boden zerstört gewesen – trotz Dropbox und dem ganzen Schnickschnack. Es ist weniger das Geld, als das Wissen, das sich einer mit seinen Wurst- und Dreckfingern durch meine persönlichen Sachen gegraben hat. Verdächtigen tu ich die halbe Welt, allen voran unseren Fahrer, das Hotelpersonal, meine rauchenden Mitfahrer des klapprigen Buses und alle Passagiere auf der Fähre. Ich hoffe, dem Übeltäter widerfährt so richtig viel Unglück auf seinem weiteren Lebensweg. Oder er wird in seinem nächsten Leben als kleiner, kümmerlicher Regenwurm in der Sahel-Zone wiedergeboren. Oder am besten beides zusammen. Eine Neuseeländerin, die wir in Seraya während unseres Detox in der Villa Flow getroffen haben, meinte: "You know, you're white. So you're rich in 'their' eyes. No matter how much you actually own." Ja, liebe Philipps-Marketing-Frau, die mit Mann, Sohn und Nanny in Singapur residiert, das ist mir schon klar. Aber trotzdem gibt das niemandem das Recht, von einem anderen zu stehlen. Egal ob man Indonesier, Schweizer oder Mikronesier ist. Egal ob man an Buddha glaubt, hinduistische Götter anbetet, Bar Mizwa feiert, schon mal nach Mekka gepilgert ist oder sein Seelenheil in Jesus Christus' Hände gelegt hat. Amen, Inschallah usw. Aber die Indonesier sind für mich immer noch das freundlichste Volk, das ich auf meiner bisherigen Reise getroffen habe und daran wird dieser kleine Zwischenfall auch nichts ändern. Und das wunderschöne Bali hat es einmal mehr geschafft, zwei Touris in seinen Bann zu ziehen. Ubud mit seinen Yoga-Studios, den unzähligen vegetarischen und veganen Cafés, Bio-Läden, Galerien, günstigen Spas etc. lädt zum wochenlangen verweilen ein. Für manche werden Wochen zu Monaten, Jahren oder dem Rest ihres Lebens. Ich versteh's. Obwohl nach der Erfolgsgeschichte Eat Pray Love das einst besinnliche Dorf zu einem Touristen-Magneten sondergleichen geworden ist. Das merkt man gerade jetzt, da das Chinese New Year vor der Türe steht. Ab dem 19.2. beginnt gemäss dem Chinesischen Kalender das Jahr der Ziege. Dieser Feiertag heisst faktisch, dass im Land der Mitte alles still steht und jeder Genosse, der es sich irgendwie leisten kann, wegfährt. Sei es Familie besuchen, in Boracay den White Sand Beach in Beschlag nehmen oder eben in Ubud, in grossen Reise-Cars und in Heerscharen, einfallen. Ich habe mich in den letzten Monaten ja ausführlich mit kulturellen Unterschieden befassen dürfen. Man lernt, schlürfende Gäste in einem Restaurant zu ignorieren, spuckenden Passanten aus dem Weg zu gehen, laute Telefonierer im Bus neben einem auszublenden und bei Nasenbohrern einfach wegzuschauen. Aber die Chinesen sind nochmal ein ganz anderes Völklein. So laut wie die, waren weder die Laoten noch die Burmesen. Heute bei der Massage: Ich liege auf dem 'Schraggen' und die zierliche Masseurin knetet gerade an meinen Waden rum. Da hör ich aus dem Raum gleich rechts on mir eine Frau in Chinesisch und einer trommelfellzerfetzenden Lautstärke irgendetwas rufen. Darauf antwortet eine männliche Stimme zu meiner linken, anhand der unterdrückten Lautstärke muss der mindestens drei Räume weiter drüben seine Behandlung erhalten. Okay, denk ich, die wollte sehen, ob ihre bessere Hälfte noch hier liegt oder schon beim Bintang im Steak-House sitzt. Damit aber nicht genug! Über gefühlte fünf Minuten schreien die sie irgendwelche Unwichtigkeiten – unterstelle ich ihnen jetzt mal – über vier Massagezimmer zu. Natürlich sagt keine der Angestellten etwas. Hab ich auch nicht erwartet. Das ist auch etwas, woran man sich gewöhnen muss. Amüsant war auch das dreier Grüppchen gestern in einem Souvenir-Shop. Die Frau wollte zwei kitschige Holzpuppen ihr Eigen nennen, aber nicht den angeschriebenen Preis bezahlen. Sie hackte wie wild auf dem Taschenrechner vor ihr rum und zeigte der Verkäuferin immer wieder ihren 'Gegenvorschlag'. Diese verwies immer wieder verzweifelt auf ein Schild hinter ihr, das besagte: "We have fixed prices. Please do not ask our staff for a Discount". Aber offensichtlich verstand weder die Dame mit Hut, noch ihr wildgestikulierender und aufgebrachter Begleiter Englisch. Die beiden schrien sich in dem kleinen Laden gegenseitig regelrecht an und die hilflose Verkäuferin tat mir fast ein bisschen Leid. Andere Länder andere Sitten, sagt man. Ja, wie wahr, aber manchmal kann es echt eine Herausforderung sein, dies zu akzeptieren und nicht zu (ver)urteilen. Und wie Chris heute Morgen auf dem Weg ins Pilates so schön sagte: "Auch die haben ein Recht auf Reisen". So ist, es wahrlich. Die Russen übrigens auch.